Postmarkt: Verdrängungswettbewerb droht 

Auf dem Markt für Briefzustellungen droht ab 2008 ein Verdrängungswettbewerb zulasten der Beschäftigten. Zu diesem Ergebnis kommt eine Analyse, die Wissenschaftler des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung erstellt haben.

Ihre Aussagen stützen die Forscher der gewerkschaftsnahen Stiftung auf die Entwicklungen, die auf den bereits liberalisierten Sektoren des Postmarktes zu beobachten sind. Demnach haben sich die Arbeitsbedingungen von Postbediensteten in den letzten Jahren massiv verschlechtert. Bei der Deutschen Post AG mussten viele Beschäftigte bereits längere Arbeitszeiten, weniger arbeitsfreie Tage, Versetzungen, Teilzeitarbeit oder Änderungskündigungen hinnehmen. In neu gegründeten Tochtergesellschaften gelten teilweise niedrigere Tariflöhne. Neu Eingestellte erhalten weniger Lohn.

Auch bei den rund 750 aktiven neuen Postdienstleistern unterscheiden sich die Arbeitsbedingungen erheblich von denen der früheren Staatspost. Bei den neuen Anbietern gibt es (noch) keine Tarifverträge, unbefristete Vollzeitstellen sind selten. Mindestens 96 Prozent der Unternehmen haben keinen Betriebsrat. Die Bruttolöhne liegen um 30 bis 60 Prozent unter dem Niveau, welches die Tarife der Deutschen Post AG vorsehen.

"Schon heute basiert das Wettbewerbsmodell der meisten neuen Postunternehmen auf der Ausnutzung von prekären Beschäftigungsverhältnissen und der Zahlung von Niedrig- und Armutslöhnen", konstatieren die Forscher. Sie plädieren deshalb dafür, die Marktregulierung im Postsektor auch auf Löhne und Arbeitsbedingungen auszudehnen.

Die Bundesnetzagentur könnte von der so genannten Sozialklausel im Postgesetz Gebrauch machen. Sie ermöglicht es, Wettbewerbern, die die üblichen Arbeitsbedingungen "nicht unerheblich unterschreiten", die Lizenz zu verweigern. So arbeite auch die Schweizer Regulierungsbehörde, die einen umfassenden Kriterienkatalog zur Bestimmung branchenüblicher Arbeitsbedingungen heranzieht.

Einem Gutachten des Berliner Wirtschaftsrechtlers Franz Jürgen Säcker zufolge ist die Bundesnetzagentur aber nicht berechtigt, in die Tarifautonomie und das Arbeitsrecht einzugreifen - zumindest solange Niedriglöhne "branchenüblich" seien. Daher könnten soziale Mindeststandards im Postsektor nur über Tarifverträge und darauf beruhende "Tariftreue"-Erklärungen durchgesetzt werden. Mit solchen Erklärungen verpflichten öffentliche Auftraggeber die Teilnehmer an einer Ausschreibung, die tariflich vereinbarten Arbeitsbedingungen einzuhalten.