Der Arbeitgeberverband (AGV) Postdienste und die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di haben den Tarifvertrag, der als Vorlage für einen Mindestlohn für die Briefdienste dienen soll, nachgebessert. Damit soll der neue Vertrag nun für alle Briefdienstleister gelten, "die überwiegend gewerbs- oder geschäftsmäßig Briefsendungen" befördern. Das berichtet die "Financial Times Deutschland".
Das Wort "überwiegend" wurde eingefügt. Außerdem spricht die neue Fassung nicht mehr von "Postdiensten", sondern nur noch von der "Branche Briefdienstleistungen". Erfasst werden alle "Betriebe und selbständige Betriebsabteilungen, die überwiegend gewerbs- oder geschäftsmäßig Briefsendungen für Dritte befördern".
Dies ändert die politische Bedeutung des Tarifvertrags. Bisher meinte der Tarifvertrag alle Betriebe in Deutschland, sofern sie gelegentlich Briefe befördern. Das gilt zum Beispiel auch für Zeitungszusteller. Durch das Wort "überwiegend" wird die Geltung des Vertrags eingeschränkt auf Betriebe, deren Angestellte mehr als die Hälfte ihrer Zeit der Briefzustellung widmen. Das befreit etwa die großen Zeitungsverlage von der Pflicht, einen Postdienst-Mindestlohn zu zahlen. Sie stellen die Mehrheit im AGV Neue Brief- und Zustelldienste.
Gleichzeitig stellt das Wort "überwiegend" sicher, dass der Vertrag mehr als 50 Prozent aller in der Branche beschäftigten Arbeitnehmer abdeckt. Ein Tarifvertrag, der als Vorlage für einen branchenweiten Mindestlohn dienen soll, muss laut Gesetz für mindestens die Hälfte der Branchenbeschäftigten bindend sein. Das ist er nun, so argumentieren die Tarifparteien, da er für mehr als die Hälfte der hauptamtlichen Briefträger gilt.
Die CDU/CSU hatte ihre Ablehnung bisher damit begründet, der vorliegende Tarifvertrag gelte für weniger als die Hälfte der Beschäftigten der Branche. Sogar die Postkonkurrenz räumt nun ein, das 50-Prozent-Quorum sei zweifelsfrei erfüllt, heißt es in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Sie hoffen jetzt darauf, dass die Union die dort vereinbarten Mindestlöhne von zunächst 8 Euro in den neuen Bundesländern bis 9,80 Euro für Zusteller in Westdeutschland auf 8 Euro drücken kann. Denn sie halten ihn immer noch für zu hoch.
Anfang dieser Woche hatten die rivalisierenden Arbeitgeberverbände und ver.di erstmals gemeinsam miteinander gesprochen. Anlass war das Dritte Strategieforum Brief in Bonn, das jährlich vom Bundesverband der Kurier-Express-Post-Dienste (BdKEP) veranstaltet wird. Doch auch dort blieben die Fronten unverändert: Zwar sprachen sie sich alle für einen branchenweiten Mindestlohn aus. Eine Einigung über dessen Höhe erzielten sie jedoch nicht, so der BdKEP in einer Pressemitteilung.
Der vorliegende Mindestlohn-Tarifvertrag, den ver.di mit dem AGV Postdienste abgeschlossen hat, wird von den beiden anderen Verbänden abgelehnt. Er gilt bisher nur für rund 4.500 Mitarbeiter verschiedener Postfirmen, da die Mitarbeiter der Deutschen Post AG einen eigenen Haustarifvertrag haben oder Beamte sind. Das bestätigte Wolfhard Bender vom AGV Postdienste auf Nachfrage. Die anderen Arbeitgeberverbände, der AGV BdKEP und der AGV Neue Brief- und Zustelldienste, hatten versucht, die Tarifparteien zu neuen gemeinsamen Tarifverhandlungen zu bewegen.