BNetzA: Postgesetz keine Grundlage für Mindestlöhne 

Die Bundesnetzagentur hat heute ein von ihr in Auftrag gegebenes Gutachten vorgestellt, wonach das Postgesetz keine ausreichende Befugnis zur Festsetzung eines Mindestlohnes im Briefsektor enthält. Das Gutachten des Berliner Rechtswissenschaftlers Professor Franz Jürgen Säcker, Freie Universität Berlin, hatte die Frage untersucht, ob die Sozialklausel des § 6 Abs. 3 Nr. 3 PostG eine gesetzliche Grundlage für die Einführung eines Mindestlohns bietet. Nach dieser Vorschrift kann eine Lizenz versagt werden, wenn "Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Antragsteller die wesentlichen Arbeitsbedingungen, die im lizenzierten Bereich üblich sind, nicht unerheblich unterschreitet".

Das Gutachten, das der Präsident der Bundesnetzagentur Matthias Kurth vorstellte, gelangt nun zu dem Ergebnis, dass mit der Sozialklausel des Postgesetzes nicht die Befugnis verbunden ist, bundesweit ein verbindliches Lohnniveau festzusetzen. "Die in der Bundesregierung politisch angestoßene Debatte über die Erforderlichkeit von Mindestlöhnen im Briefsektor erübrigt sich daher nicht, denn es gibt keine derartige Festsetzungsbefugnis im Postgesetz", erklärte Kurth. Das Gutachten bestätigt die von der Bundesnetzagentur vertretene Rechtsauffassung, dass Lizenznehmer nicht über das Postgesetz zur Zahlung von Tariflöhnen verpflichtet werden können. Dies würde letztlich einer Allgemeinverbindlicherklärung gleichkommen, für die das Postgesetz keine ausreichende Legitimation biete.

Ein weiteres wichtiges Ergebnis des Gutachtens ist, dass bei der Üblichkeit von Arbeitsbedingungen nicht allein auf die von der Deutschen Post AG (DP AG) gezahlten Löhne abzustellen ist. Vielmehr sind die Arbeitsbedingungen sämtlicher Lizenznehmer und auch die in angrenzenden Märkten für vergleichbare Tätigkeiten gezahlten Löhne zu betrachten. Weiter sollten auch Subunternehmen und Personalleasingfirmen betrachtet werden, die grundsätzlich als Erfüllungsgehilfen der Lizenznehmer eingesetzt werden können. Zudem sei auf regionale Unterschiede zu achten.

Ergänzend zur Gutachtenerteilung an Professor Säcker ist das Wissenschaftliche Institut für Infrastruktur und Kommunikationsdienste (WIK) von der Bundesnetzagentur beauftragt worden, eine repräsentative ökonomische Untersuchung zu den für den Briefmarkt relevanten gegenwärtigen Arbeitsbedingungen (insbesondere Lohnniveau und Arbeitszeiten) durchzuführen. Die Studie soll bis Ende Mai 2007 abgeschlossen sein.

"Ich appelliere an die neuen Postdienstleister und die zuständigen Gewerkschaften, ihre laufenden Verhandlungen über einen Tarifvertrag möglichst bald konstruktiv abzuschließen. Ein derartiger Tarifvertrag würde auch die Klärung der Üblichkeit von Arbeitsbedingungen erleichtern und könnte ggf. von den dafür berufenen Gremien für allgemeinverbindlich erklärt werden. Über den Weg des Tarifrechts oder mit klaren Festlegungen von Mindestlöhnen durch den Gesetz- oder Verordnungsgeber könnten schneller und mit größerer Rechtssicherheit Mindestarbeitsbedingungen gewährleistet werden", sagte Kurth bei der Vorstellung des Gutachtens.