Post-Branche: Klagewelle wegen Mindestlohn droht 

Nach dem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin erwägen sowohl der Springer-Konzern als auch die Mitglieder des Bundesverbands der Kurier-, Express- und Postdienste (BdKEP) eine Schadensersatzklage gegen den Bund. Sie machen den "zu hohen Mindestlohn", den die Bundesregierung über das Entsendegesetz durchsetzen wollte, für das Scheitern ihrer Geschäftsmodelle verantwortlich.

"Springer erwägt eine Klage, eine Entscheidung darüber ist aber noch nicht gefallen," zitiert das "Handelsblatt" den Vorstandsvorsitzenden des Konzerns, Mathias Döpfner. Springer war vergangenen Dezember aus der PIN Group ausgestiegen, die daraufhin Insolvenz anmelden musste. Nach eigenen Angaben musste Springer 2007 einen Verlust von 288 Millionen Euro hinnehmen, der hauptsächlich den Einbußen im Briefgeschäft von 572 Mio. Euro geschuldet war.

Der BdKEP schrieb einen offenen Brief an Bundesarbeitsminister Olaf Scholz, in dem er zu einer Rückkehr zu "den Grundlagen der Tarifautonomie" aufruft. Scholz solle seine Berufung gegen das Urteil des Berliner Verwaltungsgerichts zurückzunehmen. In einer Pressemitteilung drohte der Verband indirekt mit einer neuen Klage. Mit ihrer "augenblicklichen Ignoranz gegenüber der Grundsätzlichkeit des Urteils" setze sich die Bundesrepublik "der Gefahr der Staatshaftung aus. Klagen in Millionenhöhe drohen", so der BdKEP.

Der Rechtsanwalt des BdKEP, Axel Günther, sagte der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung", die mehr als 100 betroffenen Mitglieder des BdKEP planten eine Sammelklage, wenn die Bundesregierung an der Mindestlohnverordnung festhalten sollte. Dafür setzte er dem Ministerium eine Frist bis zum 17. März. Laut dem Bundesverband der Internationalen Express- und Kurierdienste (BIEK) habe das Arbeitsministerium nicht vorab geprüft, ob die Verordnung zu Wettbewerbsbeschränkungen oder Arbeitsplatzverlusten führen könnte. Das habe es in der Gerichtsverhandlung zugegeben. Dadurch erhöhten sich die Chancen einer möglichen Schadensersatzklage.

Doch zunächst müssen die Post-Konkurrenten abwarten, bis das Urteil des Berliner Verwaltungsgerichts rechtskräftig ist. Das Arbeitsministerium legte bereits Berufung ein, so dass dies noch dauern kann. Erst wenn die letzte Gerichtsinstanz entscheidet, mit der Ausweitung des Entsendegesetzes auf die Postbranche habe das Arbeitsministerium seine Kompetenzen überschritten, ein Schadensersatzanspruch geltend gemacht werden.

Doch auch die Gegenseite lässt nicht auf sich warten. Wie die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di bekannt gab, hat sie in Köln eine Strafanzeige gegen die "Gewerkschaft der Neuen Brief- und Zustelldienste" (GNBZ) erstattet und einen Strafantrag gestellt. Mit dieser Gewerkschaft hatten die im AGV NBZ organisierten Post-Konkurrenten ihrerseits einen Mindestlohn ausgehandelt, der deutlich unter dem zwischen ver.di und dem AGV Postdienste ausgehandelten Tarif liegt. Zur Begründung erklärte ver.di, die GNBZ finanziere "ihre nicht als gering zu wertenden Geschäftsausgaben durch Gelder Dritter". Das lege den Verdacht der Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr nahe. Zudem sei die GNBZ weder ein eingetragener Verein noch als Gewerkschaft anerkannt.