Bei alten Postkarten schlägt beinah jedes Herz höher 

 

Für Philatelisten sind Postkarten schon lange kein Produkt mehr, welches nur mit Briefmarke einen Wert hat. Die Grußkarten, besonders ältere Examplare, gelten als historische Zeitzeugnisse, die mitunter mehr Wert besitzen als das Wertzeichen selbst. Daniel Seidel aus Berlin handelt mit den Zeitzeugnissen. Posttip besuchte den Jungunternehmer. Das Büro von Daniel Seidel liegt im Berliner Stadtbezirk Friedrichshain. Obgleich es nicht viele Quadratmeter misst, liegen dort wahre Schätze, die die Herzen von Historikern und Sammlern höher schlagen lassen: alte Postkarten. "Wir haben im Archiv so um die 310.000 Ansichtskarten", sagt der Unternehmer. Diese sind fein säuberlich nummeriert und in Plastikhüllen gelegt. Greift man in die grünen Boxen, die in dem Raum in den Regalen lagern, kann man davon ausgehen, dass man nach einem Stück Erinnerung greift. Die Karten liefern für den Zeitraum von 1890 bis in die Gegenwart Zeitzeugnisse für die jetzige Generation.

 

Vom Händler zum Sammler?


Angefangen hat alles für Seidel 2008. Er gab damals seinen Job auf und wollte nichts mit Postkarten zu tun haben. Denn die hatten ihn eigentlich schon zu lange beschäftigt. Aber so ganz konnte er von den kurzen Grüßen auf Papier nicht lassen. Er gründete die Firma akpool.de. Auf der Homepage verkauft er die historischen Karten. "Im Gegensatz zu allen Vermutungen bin ich nicht über das Sammeln auf die Geschäftsidee gekommen", sagt der Familienvater. Das Sammeln stellte sich nämlich erst später ein. "Gebürtig stamme ich aus Halle/Neustadt." Aus diesem Ort gibt es ungefähr 400 historische Postkarten. "77 habe ich bereits in meinem Besitz", fügt er lachend hinzu. Auf die Frage, ob nun die Jagd auf die 323 anderen Karten eröffnet sei, muss Seidel schmunzeln. "Ich bin nicht so fixiert darauf, wie man vielleicht denken könnte. Die meisten ebay-Aktionen enden abends um acht Uhr. Da bringe ich lieber mein Kind ins Bett, anstatt vor dem Rechner zu sitzen."

Das Repertoire von Akpool umfasst Porträtkarten, Landschaftskarten als auch Motive des täglichen Lebens, wie etwa Frauen in Trachten bei der Heimarbeit oder Männer beim Ausüben ihrer Wehrpflicht. Aber auch Propagandakarten aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts finden sich in den Archiven.

Vor 1905 gab es zunächst nur sogenannte "Gruß aus…"-Karten. Die Karten waren auf der Rückseite nicht unterteilt. "Zu dieser Zeit durften keine Botschaften öffentlich verschickt werden", erklärt Seidel. Dies änderte sich erst 1905 durch neue Gesetze.

Die Vorläufer der Ansichtskarte


Postkarten gibt es erst seit 1871 in Deutschland. "Angeblich gibt es Postkarten, die eine Zeichnung des deutsch-französischen Krieges von 1870/71 zeigen", sagt Seidel. Gesehen hat er sie noch nicht. "Ansichts­karten vor 1895 zeigen häufig Sehenswürdigkeiten wie etwa die Bastei oder die Wartburg." Andere Motive wurden erst in den Folgejahren populärer.

Die Karten selbst erwirbt Seidel auf Börsen oder Flohmärkten. So fährt er zweimal im Jahr nach Paris, um dort an einer Postkartenmesse teilzu­nehmen. Einmal suchte eine Frau Daniel Seidel auf . Die Kundin sammelte Porträtkarten von Adligen und begann dies bereits in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts. Sie wollte ihm diese verkaufen. "Dies ist jedoch nicht der Regelfall", erklärt Seidel, "die meisten Karten werden auf Börsen er­worben."

Einige Postkarten haben es auf sich


Einige Postkarten haben neben dem historischen Wert auch einen finanziellen. Dazu gehören Propagandabilder aus dem dritten Reich oder die Postkarten aus der Bauhaus-Serie. Bei letzteren handelt es sich um eine 1919 von Walter Gropius gegründete Kunstschule in Weimar. Prominente Künstler gehörten zu der Gruppierung, unter anderem Paul Klee oder Wassily Kandinsky. "Diese Karten haben häufig einen Wert von über 1.000 Euro", erklärt Seidel. In seiner Firma sind diese jedoch noch nicht vertreten gewesen. "Wissen Sie", sagt Seidel, "wer einmal eine solche Karte hat, gibt sie auch erstmal nicht mehr her. Wer sie doch verkauft, kann auf Auktionen einen höheren Wert erzielen."

Bei Akpool selbst gab es bereits Karten mit einem Wert von über 100 Euro. Derzeit seien rund sieben Karten im Besitz der Firma. "Darunter auch eine mit dem Motiv der gesunkenen Titanic", fügt Seidel hinzu. Dies ist jedoch selten der Fall. Die meisten Karten kosten bei Seidel zwischen fünf bis sechs Euro. Und damit die Karten nicht komplett von der Bildfläche nach dem Verkauf verschwinden, hat Seidel eine weitere Webseite ins Leben gerufen: die Arkivi-Bildagentur. "Wenn die Karten einmal verkauft sind, sind sie weg", sagt Seidel. Dadurch entstand die Idee mit arkivi. Die Webseite handelt mit den Nutzungsrechten von alten Postkarten. "Täglich scannen wir über 700 Karten", sagt Seidel. Die meisten Karten auf der Seite sind vor 1945 entstanden. "Bei diesen sind häufig die Urheberrechte schon abgelaufen. Daher können wir diese Ansichten problemlos auf unsere Seite stellen."

Kann die Marke da mithalten?


Und was ist mit der Briefmarke auf den Karten? "Früher wurde die Marke häufig aus der Karte heraus geschnitten", sagt Seidel. Heutzutage passiere dies nicht mehr, da es sich herumgesprochen hat, dass die Postkarten häufig wertvoller sind, als die Marken. "Wenn ich eine Karte mit einer meines Erachtens wertvollen Marke in den Händen halte, dann lass ich dies nochmals von einem Fachmann prüfen", sagt Seidel. Dies kommt jedoch nur selten vor. Zudem gibt es noch die sogenannte Feldpost. "Das sind Karten von der Front oder zur Front", erklärt der Unternehmer. Diese konnten gratis versandt werden und besitzen daher keine Briefmarken.

Gut die Hälfte der Karten von akpool werden in Deutschland verkauft. "Etwa 45 Prozent verkaufen wir in Europa und der Rest geht nach Übersee", erklärt Daniel Seidel. Um einen Eindruck der Karten zu bekommen, bieten die beiden Webseiten akpool und arkivi einen sehr guten Überblick. Aber Vorsicht, bei soviel historischen Motiven, könnte Nostalgie entstehen und die Sammlerleidenschaft geweckt werden. "Viele Leute fragen mich immer, warum meine Kunden die Karten kaufen", sagt Seidel. "Die meisten, die das fragen, denken dann darüber zu Hause nach und kaufen dann selbst welche", fügt Daniel Seidel schmunzelnd hinzu. Dem bleibt auch von Redaktionsseite nichts mehr hinzuzufügen.