Arbeitsbedingungen bei Postdienstleistern - Prämienabhängiges Gehalt 

Gehalt ist prämienabhängig

Der Monatslohn bei der PIN Mail AG setzt sich aus einem Grundlohn und einer Prämie zusammen, die wiederum in Anwesenheitsprämie und Qualitätsprämie unterteilt ist. Bis vor kurzem gab es auch noch eine Quantitätsprämie, die aber mittlerweile abgeschafft wurde. Normalerweise bekomme man die Prämien voll ausgezahlt, so Atrott, "solange man sich nichts zuschulden kommen lässt". Er zählt sie jedenfalls zu seinem Monatslohn fest dazu. Mit der Anwesenheitsprämie hadert er ein wenig. Das sei schon hart, wenn man einmal krank ist und dann die Fehltage von der Prämie abgezogen werden. Andererseits belaste es auch das Kollegium, wenn manche zu oft krankfeiern und dann die Arbeit an den anderen hängen bleibt. Da finde er den Abzug dann auch wieder in Ordnung.

Insgesamt will Torsten Atrott über sein Gehalt nicht klagen. "Ach, Geld hat man doch immer zu wenig", meint er und lacht. Er hofft auf die Tarifverhandlungen mit ver.di, auch wenn es da wohl nicht so viel Spielraum gebe.

Maximal 1.500,- Euro für 40 Stunden

Für seine Arbeit bekommt ein PIN-Mitarbeiter in Berlin bei einer 40-Stunden-Woche ein Grundgehalt von 1.250,- Euro brutto (Stand: Jahr 2007/2008). Werden Anwesenheits- und Qualitätsprämie voll gezahlt, kommen noch einmal 180,- Euro hinzu. Davon sind 100,- Euro für die Anwesenheit und 80,- Euro für die Qualität. Um letztere zu messen, gibt es einen umfassenden Katalog von Verfehlungen, die sich ein PIN-Mitarbeiter nicht leisten darf (z.B. grundlos nicht zugestellte Sendung oder Ablegen der Sendung im Hausflur). Verstößt ein Mitarbeiter dagegen, werden ihm pro Fehler 20,- Euro von der Qualitätsprämie abgezogen. Die Anwesenheitsprämie wird dagegen pro Fehltag "nur" um 10,- Euro gekürzt. Hierunter fallen allerdings auch Krankheitstage. Läuft es optimal, können Mitarbeiter wie Torsten Atrott also knapp 1.500 Euro monatlich verdienen.

Bei der PIN arbeiten Menschen aus allen möglichen Branchen, erzählt Atrott. "Sie könnten vollständig ein Haus bauen, nur mit den Kollegen". Aber auch viele ehemalige Postler seien hier, die nicht übernommen wurden oder nicht bei einem der Subunternehmen hätten arbeiten wollen.

Freude am Radfahren reicht nicht

Er selbst gehört zu den alten Hasen. Die meisten Kollegen seien jünger als er oder noch nicht so lange dabei. Meist entscheide sich schnell, wer bleibt und wer nicht. Es gibt Leute, "die kommen mit völlig falschen Vorstellungen hierher. Die denken, ja, Fahrrad fahren mach ich gerne. Wenn sie aber merken, das ist bei Wind und Wetter, und das muss auch mal schnell gehen, dann wollen die schnell nicht mehr." Körperliche Fitness ist ebenso Voraussetzung wie ein gewisses Organisationstalent und "die Bereitschaft zu arbeiten", wie Atrott es ausdrückt. Er selbst hat zu Beginn ein Trainingsprogramm durchlaufen, wie alle, die keine ausgebildeten Zusteller sind.

Atrott arbeitet gern bei der PIN. Er komme ursprünglich vom Bau, erzählt er, habe ein paar Firmenpleiten mitgemacht, sei arbeitslos geworden und auch mal monatelang ohne Lohn geblieben. Bei der PIN sei das anders: ein sicherer Arbeitsplatz und immer pünktlich bezahlt. Auch seinen Stammbezirk mag er gern, dort kennt er schon die Leute und grüße sich mit vielen. Eher selten trifft er auf unhöfliche Menschen, die in ihm nur den Amtsbriefträger sehen, der die Mahnungen und Strafzettel bringt.

"Entspannt" nennt er seine Einstellung zum Beruf. An stressigen Tagen mit hohem Sendungsaufkommen oder schlechtem Wetter sei es zwar manchmal der mieseste Job der Welt, aber dieses Gefühl verfliegt schnell wieder. Atrott genießt es, sich seine Tour eigenständig einzuteilen und auch – im Rahmen der Arbeitszeiten – das Tempo und die Pausendichte zu bestimmen. Die Arbeitsorganisation verbessere sich ständig und auch darüber, dass es jetzt einen Betriebsrat gibt, freut er sich. Vieles werde jetzt transparenter, hofft er.

Zum Beispiel gibt es eine neue Überstundenregelung, die eine Obergrenze für Überstunden festlegt. "Ampelregelung" nennt man das. Wer zu viele Überstunden hat, sieht "rot" und muss sie entweder ausbezahlt bekommen oder abfeiern. "Gelb" ist die Vorstufe dazu. Wessen Konto auf "grün" steht, hat noch Raum für Mehrarbeit. Die Ampel soll verhindern, dass Leute unrealistische Mengen Überstunden aufhäufen und diese nicht bezahlt bekommen. Zwar seien bezahlte Überstunden die besten, gegen einen zusätzlichen freien Tag hat aber auch niemand etwas, zwinkert Atrott.

Hungerlöhne bei privaten Dienstleistern?

Auf die Diskussionen in den Medien zu den Arbeitsbedingungen bei Postdiensten ist er nicht gut zu sprechen. Manchmal seien Menschen auf der Straße auf ihn zugesprungen und hätten ihn auf seine Armut angesprochen. Ein Kunde habe ihm sogar mal Geld angeboten, weil die armen Briefzusteller von der PIN doch nur Hungerlöhne bekämen. Das hat ihn sehr geärgert, denn seiner Meinung nach geht die Schuldzuweisung an die neuen Briefdienstleister am eigentlichen Problem vorbei.

Viel wichtiger sei es, dass das Briefmonopol und vor allem die Umsatzsteuerbefreiung für die Deutsche Post AG endlich fielen. Solange die PIN-Beschäftigten dagegen anarbeiten müssen, sei klar, dass es den Postlern besser gehe. Über die Arbeitsbedingungen bei anderen, kleineren Briefdienstleistern wisse er nichts. Viele wechselten aber lieber zur PIN als zu einem der Subunternehmer, wohin die Deutsche Post immer mehr ihrer Beschäftigten ausgliedern will.

Atrott jedenfalls hofft darauf, dass die PIN auch die Ausschreibungen des Landes Berlin wieder gewinnt. Wenn diese Aufträge verloren gehen, sei das schon ein "harter Schlag", befürchtet er. Die ständige Sorge um seinen Arbeitsplatz und Lohn sind ihm noch in deutlicher Erinnerung – und das will er auf keinen Fall noch einmal erleben.